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Zeit aus Sicht des Pferdes

Zeit Pferde kennen keine Termine. Zeitdruck ist ihnen deshalb fremd. Wenn wir unter Zeitdruck versuchen, einem Pferd etwas möglichst schnell abzuverlangen, werden wir wahrscheinlich durch unsere Hektik nur Verwirrung und Gegendruck erzeugen. Wir verlieren unseren Rang, weil wir durch unsere Unaufmerksamkeit inkonsequent werden und Chaos erzeugen. Unsere Geduld dürfen wir auch unter Zeitdruck niemals verlieren! Sehen wir das ein und lassen uns Zeit, werden wir unsere Ziele mit dem Pferd schneller erreichen, als wenn wir versuchen, uns zu beeilen. Schnell ist deshalb oft langsam und langsam kann schnell sein.

Bin ich also einmal spät dran und versuche hektisch das Pferd schneller als sonst zu putzen, zu satteln und aufzutrensen, werde ich vermutlich länger brauchen als sonst, denn das Pferd kann sich meine Unruhe und Hektik nicht erklären; es wird sich wehren, nicht kooperativ sein können, Entscheidungen aus seiner Sicht selbst treffen müssen. Also mache ich mir klar, daß das Schlimmste, was passieren kann ist, daß die anderen Reiter der Abteilung ausnahmsweise mal auf mich warten müssen. Deshalb bereite ich mein Pferd in gewohnter Ruhe vor, und schaffe es vielleicht sogar, trotzdem pünktlich fertig zu sein. Nächstes Mal sehe ich zu, daß ich wieder rechtzeitig auf dem Reiterhof ankomme.

Pferde haben ein gutes Zeitgefühl: Die meisten Schulpferde wissen, wann die Reitstunde vorbei ist. Pferde wissen, wann ihre Fütterungszeit ist. Hält man diese als Mensch nicht ein, machen sie sich mitunter recht lautstark bemerkbar.
Pferde gewöhnen sich in Obhut des Menschen schnell an einen regelmäßigen Tagesablauf.

Pferde reagieren sehr schnell. Kommt z. B. ein Pferd einem ranghöheren zu nahe, wird dieses möglichst bald reagieren. Es genügt dann schon ein Anlegen der Ohren, damit das andere Pferd nicht näher kommt. Wartet das Pferd zu lange mit seiner Reaktion, wird mehr Aufwand erforderlich sein, das andere Pferd am Eindringen in seinen Individualbereich zu hindern. Es muß dann vielleicht sogar drohend auf das andere Pferd zulaufen. Am leichtesten ist es, bereits zu Beginn der Bewegung oder sogar vorher zu reagieren. Als Mensch lernt man das nach und nach beim Umgang mit dem Pferd und beim Reiten, wenn man aufmerksam ist. Pferde kündigen ihre Reaktionen an. Allerdings muß man dieses Prinzip "Je früher die Reaktion, desto weniger Kraft ist nötig" kennen, um bewußt darauf zu achten und das Erkennen von Signalen des Pferdes und eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit erlernen zu können.

Lange Zeit bin ich ein Pferd geritten, das hin und wieder plötzlich den Hufschlag verlassen hatte, um dann in der Mitte der Reitbahn stehenzubleiben. Als ich das o. g. Prinzip noch nicht kannte, versuchte ich mit Schenkel und Zügel, das Pferd zum Umkehren zu bewegen. Schnell hatte ich mich mit den Zügeln festgezogen und mußte aufgeben. Als ich aber lernte, früher zu reagieren, stellte ich fest, daß ich es plötzlich schaffte, das Pferd auf dem Hufschlag zu halten. Später erkannte ich bereits die ankündigenden Muskelverpsannungen und den Ansatz der "Ausbruchsbewegung". Da genügte plötzlich eine äußere halbe Parade mit gleichzeitigem, verstärkten, inneren Schenkeldruck. Kein Kampf, keine Kraftanstrengung mehr. In den Augen des Pferdes hatte ich Kompetenz bewiesen, da ich seine Absichten - wie ein normales Pferd - durch seine Signale erkannt hatte. Darin sollte man sich üben. Je besser ich das kann, desto ranghöher werde ich den Augen der Pferde. Achten Sie auf dieses Prinzip. Es wird Ihnen helfen.