Wie ich zum Reiten kamEs ist Winter. Alles ist in sauberes Weiß gekleidet, wenn man nicht gerade auf die verschmutzten Straßenränder schaut. Als Autofahrer muss ich das aber tun. Wenigstens hin und wieder. Zumal ich eine wertvolle Fracht an Bord habe: Meine Tochter, ihre Freundin und deren Mutter. Trotzdem gönne ich mir einige kurze Blicke auf das strahlende Weiß der Wälder und Wiesen. Wenn man genauer hinschaut (was ich als Autofahrer jetzt natürlich nicht darf), kann man Spuren von Rehen und anderen Wildtieren im Schnee entdecken. Das Weiß ist noch ganz neu. Es hat in der vergangenen Nacht das erste Mal in diesem Winter geschneit. Glaube ich.Die Kinder haben Ferien und ich habe eine Woche Winterurlaub. So habe ich Zeit, meine Tochter und ihre Freundin zum Reiterhof zu fahren, und ihnen beim Reiten zuzuschauen. Das habe ich in der Vergangenheit schon desöfteren getan. Der Boden ist steinhart gefroren, man muss vorsichtig laufen. Das merken wir sofort nach dem Aussteigen. Das gleiche gilt auch für den Boden auf dem Reitplatz, da sind jetzt keine Dressurübungen möglich. Deshalb machen die Mädchen mit der Reitlehrerin einen Ausritt. Nein, das stimmt so natürlich nicht. Selbstverständlich macht die Reitlehrerin mit den Mädchen den Ausritt. Die Mutter der Freundin und ich warten derweil eine Stunde in einem beheizten Raum, in dem es keine Fenster gibt. Die künstliche Beleuchtung taucht den Raum in ein undefinierbares Gemisch aus Licht und Dunkelheit. Wir haben einen Kaffee bekommen. Nachdem das Gespräch versiegt ist, beginnt meine Wartepartnerin zu lesen. Das versuche ich auch. Aber Pferde- und Reitfachzeitschriften, dazu noch auf Tschechisch, interessieren mich dann doch nicht so sehr. Also habe ich Zeit zum Nachdenken. Und auf einmal frage ich mich, warum ich das nicht auch einmal versuche. Was? Na das mit dem Reiten! So schwer kann das doch nicht sein. Sieht ja auch ganz leicht aus. Und die Arbeit macht ja sowieso das Pferd. Der Reiter sitzt doch nur oben drauf und passt auf, dass er nicht herunterfällt. Den Rest der Wartezeit wälze ich dann diesen Gedanken noch einige Male hin und her, um ihn von allen Seiten aus betrachten zu können. Mehrmals versuche ich, mir mich (oder mich mir?) auf einem Pferd vorzustellen. Da auch ich bereits mehr als einen Western im Fernsehen gesehen habe (wenn halt nichts anderes kam), gelingt mir diese Vorstellung jetzt ganz gut. Von meiner Mutter (saß noch nie auf einem Pferd) weiß ich auch, dass unsere Tochter von Anfang an eine perfekte Reiterin war. Also sollte das auch für mich kein Problem werden. Inzwischen ist die Stunde vorbei. Draußen sind Pferdehufe zu hören. Also verlassen wir den Raum und gehen nach draußen. So viel Licht! Wir stehen geblendet auf dem Hof und sehen so gut wie nichts. Nach und nach gewöhnen sich die Augen wieder an das Licht. Die drei sind unterdessen wieder vom Ausritt zurück. Die beiden Mädchen strahlen und haben gerötete Wangen. Von irgendwoher stürzen mehrere kleinere Mädchen auf die gerade angekommenen Pferde zu und greifen in die Zügel. Ein Pferd weicht erschrocken mit dem Kopf zurück und wird von der kleinen Helferin lautstark zurechtgewiesen. Unsere Mädchen steigen ab, und die Pferde werden sofort weggeführt. Schade eigentlich. Ich würde mir so ein Pferd ganz gern noch aus der Nähe anschauen. Aber daraus wird wohl nichts. Die Pferdemädchen sahen nicht so aus, als würden sie jemand anderen in die Nähe der Pferde lassen. Da kommt die Reitlehrerin. Ich stelle meine auf Tschechisch vorbereitete Frage, ob ich denn auch 'mal versuchen könnte, auf so einem Pferd zu reiten. - Ja, natürlich. Und so habe ich ein paar Tage später einen Termin mit einem Pferd. Oh, das ging ja schnell. Was habe ich da getan? Eigentlich war die Frage doch eher theoretisch gemeint. Also so in der Richtung, ob Reiten denn nur etwas für Kinder ist und so. Aber einen Rückzieher kann ich nun nicht mehr machen. Der Termin ist ja auch erst in ein paar Tagen. Also bezahle ich noch den heutigen Ausritt, und wir fahren alle wieder nach Hause. |