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Führen


Über das Führen eines Pferdes haben Sie hier schon einiges gelesen. Das ist auch kein Wunder, denn im alltäglichen Umgang muß ein Pferd immer wieder geführt werden: Von der Weide in den Stall, vom Stall an den Putzstand, von dort auf den Reitplatz und wieder zurück. Immer wieder passieren beim Führen kleine aber auch größere Unfälle, die vermieden werden könnten, wenn der Führende mehr über das Pferd wüßte, und das Führen vorher mit dem Pferd geübt hätte. Viele Dinge können dabei verkehrt gemacht oder übersehen werden.

Vielleicht resümieren Sie nochmals diese drei Artikel:

Ich bin der Chef! (Thema: Sprache)

Komm, ich führe dich! (Thema: Umgang)

Pferd läßt sich nicht führen (Thema: Probleme beim Umgang)

Führen
Das Führen eines Pferdes ist die Königsdisziplin aller Bodenarbeit. Beim Führen kann ich das Pferd kennenlernen und das Pferd mich. Ich kann die Rangordnung zwischen uns klären, denn der Ranghöhere bestimmt Richtung und Geschwindigkeit des Rangniederen. Je schneller, je rechtzeitiger ich dem Pferd seine Fragen an mich beantworten, das Pferd korrigieren kann, desto weniger Kraftaufwand ist dafür nötig. Jedes Führen kann man als Führtraining nutzen. Deshalb kann und soll Führtraining sowohl von Pferdebesitzern als auch von Schulpferdereitern als Bodenarbeit genutzt werden.

Führen aus Sicht des Pferdes

Soll das Pferd mir folgen, so muß es zunächst überprüfen, ob ich als kompetenter Anführer überhaupt in Frage komme. Schließlich vertraut es mir aus seiner Sicht sein Leben an. Unter Pferden ist das sein gutes Recht, das sich aus dem Willen, zu überleben, ableitet. Es wird deshalb prüfen, was passiert, wenn es eigenmächtig die Richtung oder die Geschwindigkeit ändert. Es wird genau darauf achten, ob sein potentieller Anführer seine Fragen bezüglich eventueller Gefahren in seiner Umwelt sinnvoll beantwortet und passende Entscheidungen trifft.

Führen aus Sicht des Menschen

Der unwissende Mensch sieht nur, daß das Pferd nicht gehorcht. Weiß er nicht, was im Pferd dabei vorgeht, warum das Pferd nicht gehorcht, wird er gegen die Widersetzlichkeit des Pferdes wahrscheinlich vorzugehen versuchen.
Der wissende Mensch geht auf die Tests des Pferdes ein, indem er damit rechnet und schnell reagiert: Änderungen der Richtung und der Geschwindigkeit des Pferdes werden sofort durch Annehmen des Führstricks oder Seils in die entgegengesetzte Richtung korrigiert. Habe ich die Tests so überstanden, achte ich auf die Reaktionen des Pferdes auf seine Umwelt, reagiere darauf und treffe Entscheidungen.

Ziel des Führtrainings

Das Pferd soll mit seinem Menschen synchron gehen. D. h. es geht die gleichen Wendungen, wie sein Mensch, es hält an, wenn sein Mensch das tut und trabt zusammen mit seinem Menschen an. Es geht sogar einige Schritte rückwärts mit.
Dies soll nach und nach mit immer weniger Einwirkung des Menschen geschehen; der Führstrick (oder das Seil) hängt irgendwann locker durch, da sich das Pferd an der Körpersprache des Menschen orientiert.

Führtraining

So führt man ein Pferd
So führt man ein Pferd richtig: den Blick auf das Ziel gerichtet,
dabei aufrecht und sicher gehen
Am besten beginnt man mit dem Führen des Pferdes auf einem Viereck, z. B. entlang der Begrenzung des Reitplatzes. Dabei hilft man dem Pferd durch Zupfen (halbe Paraden) am Seil vor dem Durchschreiten einer Ecke (Wendung). Später kann man an der langen Seite eine Volte einbauen, die man ebenfalls durch Zupfen am Seil einleiten sollte. Immer, wenn das Pferd nach außen ausweicht, hilft man ihm wieder rechtzeitig durch Zupfen zu verstehen, daß es eine Volte gehen soll. Reicht das Zupfen nicht aus, weil das Pferd z. B. zu abgelenkt ist, kann man für einen Moment deutlicheren Zug aufbauen und gleichzeitig den Ellbogen an den Pferdehals drücken ("Der Zweite Punkt"). Kommt der Pferdekopf dann zurück, wieder sofort nachgeben!
Noch später wird man auch auf der kurzen Seite eine Volte einbauen. Klappt das Führen auf der linken Hand gut, kann man durch die Bahn wechseln und das gleiche auf der rechten Hand üben. Das ist schwieriger. Hierbei muß man anfangs besonders sorgsam auf das Zupfen am Seil bei Wendungen nach rechts achten.
Bezüglich der verwendeten Bahnfiguren sind hierbei natürlich - genau wie beim Reiten - der Phantasie keinerlei Grenzen gesetzt.
Je sicherer dabei beide werden, desto weniger wird das Zupfen am Seil noch erforderlich sein, denn das Pferd beginnt immer genauer auf seinen Anführer zu achten, je mehr es ihn als solchen akzeptiert. Ziel ist, daß das Pferd von sich aus die gleichen Wendungen geht, wie sein Anführer, ohne daß dieser noch eingreifen muß. Das Pferd geht mit seinem Anführer synchron.

Zum Führen positioniert man sich links von seinem Pferd in Höhe seiner Schulter. In der rechten Hand hält man das Seil bzw. den Führstrick etwa 20 Zentimeter vom Haken entfernt. Den Rest des Seils hält man in Schlaufen gelegt in seiner linken Hand.
Zum Anführen des Pferdes erzeugt man leichten Zug am Seil nach vorn, geht los und gibt dem Pferd eventuell noch ein Stimmkommando oder schnalzt mit der Zunge. Selbst hat man dabei seinen Blick auf das Ziel gerichtet. Hat man kein Ziel, sucht man sich eines. Das Pferd spürt, ob wir ein Ziel haben oder nicht.
Beim Führen soll das Pferd dem Menschen mit dem Kopf auf gleicher Höhe (oder leicht dahinter) folgen und dabei auf der linken Seite bleiben, also den Abstand zum Menschen halten. Tut das Pferd das noch nicht, muß man korrigieren.
Zum Anhalten bereitet man das Pferd ebenfalls durch Zupfen und leichtem Zug am Seil nach hinten vor und bleibt einige Schritte später stehen. Paßt das Pferd nicht auf oder schert sich nicht darum, muß es ein paar Schritte rückwärts gehen.
Zum Rückwärtsrichten übt man leichten Zug am Seil nach hinten aus, und mit der Hand Druck auf die Brust des Pferdes. Setzt es sich in Bewegung läßt man sofort nach und baut Zug und Druck erneut auf, um den zweiten und dritten Schritt rückwärts zu fordern. Nach jedem Tritt rückwärts lobt man das Pferd kurz. Bald wird das Pferd aufmerksamer und sensibler auf das Anhalten reagieren.

Wenn mein Pferd beim Führen an meiner rechten Seite gut mitarbeitet, kann ich dasselbe auch links üben. Das Pferd geht dann nicht rechts sondern links von mir. Interessant wird das nämlich dann, wenn ich zwei oder mehr Pferde gleichzeitig führen muß. Mein Pferd kann dann links von mir gehen, denn mit ihm habe ich das ja geübt. Das andere, ungeübte Pferd nehme ich auf meine rechte Seite - so wie es das gewohnt ist.

Übrigens muß man das Führtraining nicht immer nur auf dem Reitplatz absolvieren. Beim Spazierengehen im Wald oder durch's Dorf kann man die gleichen Dinge beachten und üben.

Problembewältigung

Manche Pferde sind schnell abgelenkt, es fällt ihnen schwer, über längere Zeit ihre Aufmerksamkeit auf ihren Menschen zu richten. Andere Pferde wollen sich nicht führen lassen und versuchen deshalb in eine andere Richtung auszuweichen oder reagieren einfach nicht auf die Signale am Seil.
In beiden Fällen ist meine Reaktion gleich: Reicht das Zupfen am Führseil nicht aus, verstärke ich für einen Moment lang den Zug und lege gleichzeitig den Ellenbogen oder sogar die Hand (dann vorher Seilhand wechseln) am Pferdehals an (Zweiter Punkt!). Der Druck bzw. Zug wird dabei immer rhythmisch im Takt der Pferdebewegung aufgebaut und wieder nachgelassen.
Genügt auch das nicht, kann ich eine Drehung - wie im vorangegangenen Artikel beschrieben - in die Führübungen einbauen. Ich kann auch vorrübergehend mit meinem Seil zum Longieren übergehen und bewege das Pferd dabei auf einem kleinen Zirkel. Auch einige Tritte rückwärts sind denkbar. Dann führe ich weiter.

Pferde, die sich nicht treiben lassen: Sehr langsam gehende oder sogar stehenbleibende Pferde treibe ich ein Stück durch Longieren vorwärts. Mit dem kreisenden Seilende kann man so gut wie jedes Pferd beschleunigen. Alternativ, wenn ich mit Führstrick und Gerte unterwegs bin, halte ich die Gerte nach oben, hinter mich, und beginne damit hin und her zu wedeln. Das sirrende Geräusch treibt das Pferd vorwärts. Auch hier: Nachgeben, wenn das Pferd im gewünschten Tempo vorwärts geht!

Niemand kann mich schließlich zwingen, nicht auch Elemente aus anderen Übungsarten in das Führtraining mit einzubauen, um so auf Gewalt verzichten zu können. Hier ist wieder die Fantasie gefragt. Und man kann sich durchaus vor Beginn eines Führtrainings Gedanken dazu machen, um vorbereitet zu sein.