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Arbeit am Seil - Der kleine Zirkel


Zunächst zum Titel des Artikels: "Arbeit am Seil". Eigentlich hätte ich lieber "Spiel am Seil" gewählt, aber wer weiß, ob sich darunter jemand etwas hätte vorstellen können. Es geht mir einfach um Folgendes: Lassen Sie die Übungen für sich und für das Pferd wie ein Spiel aussehen. Machen Sie kein stumpfsinniges Longieren daraus, wie man es leider viel zu häufig sieht. Lachen Sie, wenn etwas schief gegangen ist, weil Sie vielleicht nicht schnell genug reagiert haben. Fangen Sie einfach noch einmal an. Bleiben Sie trotzdem konsequent an der Durchführung der gestellten Aufgaben dran! Aber versuchen Sie nicht, mehr durchzusetzen als Sie und das Pferd im Moment können.

Eine schwere Longe kann man wie ein Seil benutzen. Lachen und ein freundliches Gesicht sind dabei erlaubt.
Dieses Pferd war kurz zuvor beim klassischen Longieren 'ausgetickt'. Jetzt ist es entspannt und aufmerksam.
Position der Reiterin ist nach hinten verlagert = Treibende Position!
Die Position der Reiterin ist zur Hinterhand des Pferdes verlagert und wirkt treibend.
Das Seilende pendelt ebenfalls in Richtung Hinterhand. Hier paßt also alles.

Warum ein Seil und keine Longe?

Das ist sicherlich Geschmacksfrage. Ich hatte ein Schlüsselerlebnis: Eine Auszubildende longierte ein Pferd mit Longe und Longierpeitsche, so wie man das gewohnt ist. Irgendwie hatte das Pferd recht bald Panik entwickelt, versuchte zu fliehen und drückte dann das Mädchen in seiner Angst gegen die Reitplatzbegrenzung. Deshalb kam ich ihr zu Hilfe und nahm ihr das Pferd ab. Die schwere Longe benutzte ich wie ein Seil, und damit bekam ich die kleine Stute nach zwei Minuten völlig ruhig. Seitdem hatte ich keine Longierpeitsche mehr in der Hand und benutze nur noch das Seil.
Das Seil hat aus meiner Sicht diese Vorteile: Beim Handwechsel muß ich das Seil nicht umhängen und kann deshalb aus der Bewegung heraus flüssige Handwechsel machen, so oft ich mag. Die Longierpeitsche ist immer irgendwie drohend präsent. Höre ich dagegen auf, mit dem Seilende zu kreisen, ist es praktisch "weg", bis ich es wieder einsetze. Der Umgang mit dem Seil, das Pendeln und Kreisen verleiten mich eher zur Lockerheit und zum Lachen als die Peitsche. - Ja, auch das empfinde ich als Vorteil, vielleicht als den größten überhaupt.

Wie beginnt man?

Diese Übung beginnt man genauso, wie die Drehung: Man läßt das Pferd anhalten und ruhig stehen. Selbst steht man seitlich am Pferd, dem Pferd zugewandt. Das in Schlaufen gelegte Seil hält man in der dem Kopf zugewandten Hand und nimmt ganz leichten Kontakt auf. Das andere Seilende nimmt man in die andere Hand, die man in Richtung Kruppe hält. Um das Pferd antreten zu lassen

- verlagert man seine Position ein wenig in Richtung Kruppe
- hebt man die Hand mit dem Seilende
- läßt man das Seilende zum Pferd hin pendeln

oder, wenn das nicht genügt:

- läßt man das Seilende zum Pferd hin kreisen.
- Sobald das Pferd antritt, nimmt man jeden Druck wieder zurück.

Das Pferd anhalten

Dazu nehmen Sie das Seil einen etwas längeren Moment an und verlagern gleichzeitig die Position Ihres Körpers ein wenig nach vorn zum Pferdekopf hin (kleiner Schritt seitlich), mit der gedanklichen Vorstellung, daß Sie dem Pferd den Weg abschneiden wollten. Eventuell wiederholen Sie dies einige Male bis das Pferd anhält.
Manche Pferde halten nicht an. Dann gehen Sie parallel zum Pferd mit und lassen es gerade in Richtung einer Begrenzung (Zaun) laufen. Es muß dann ja wohl anhalten und beginnt jetzt vielleicht zu verstehen, was Sie von ihm wollten. Wenn es dann steht: Loben. Denn wir gehen mal davon aus, daß es ungeübt ist und deshalb nicht verstanden hatte, was es tun sollte.

Richtung und Geschwindigkeit

Wie beeinflußt man die Richtung des Pferdes, z. B. wenn es den Zirkel verkleinert oder vergrößert? Wenn ich das Seil in Richtung Vorhand pendeln lasse, schicke ich das Pferd vorn heraus und vergrößere somit den Zirkel. Umgekehrt verkleinere ich den Zirkel, wenn ich mit dem pendelnden Seil auf die Hinterhand ziele. Um den Druck zu erhöhen, richte ich mich dabei weiter auf und beuge mich leicht zum Pferd hin.
Die Geschwindigkeit des Pferdes erhöhe ich, indem ich hinter das Pferd ziele und das Seil dorthin pendeln lasse. Um den Druck zu erhöhen, z. B. wenn das Pferd antraben oder angaloppieren soll, kann ich das Seil auch in seine Richtung kreisen lassen. Auch dabei ziele ich hinter das Pferd. Wenn das Pferd anfangs gar nicht reagieren möchte, kann ich auch mit kreisendem Seil einen Schritt auf die Hinterhand des Pferdes zugehen (aber nicht in den Schlagbereich geraten!) oder das Seil sogar auf die Kruppe des Pferdes werfen. Betrachten Sie das Seilende als die Verlängerung Ihres Armes - das Pferd sieht das ganz genauso.

Positionen des Menschen

Im Vorgehenden hatten wir unter "Anhalten des Pferdes" bereits die verhaltende, also "bremsende" Position des Menschen besprochen. Genauso gibt es eine treibende Position, die sich weiter hinten befindet. Wenn ich das Pferd also schneller traben lassen möchte, muß ich auch die treibende Position dazu einnehmen. Widersprüchlich auf das Pferd wirkt das kreisende Seil von hinten und die verhaltende Körperposition des Menschen vorn. Das muß man üben und anfangs sehr konzentriert darauf achten.

Handhabung des Seils

Beim Vergrößern des Zirkels muß ich Schlaufe für Schlaufe Seil nachgeben, beim Verkleinern Seil aufnehmen. Zum Aufnehmen des Seils muß ich natürlich kurzzeitig die andere Hand (die mit dem Seilende) zu Hilfe nehmen.
Auf allen drei Fotos sehen Sie, daß das Seil bzw. die als Seil benutzte Longe leicht durchhängt. Der Reiter hält den leichten Kontakt zum Pferd praktisch nur durch das Gewicht des Seils. Theoretisch ist diese Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdekopf überhaupt nicht notwendig (darauf baut das Freitraining auf). In der Praxis gibt es aber Momente, in denen ich das Pferd mit dem Seil korrigieren muß. Wenn es den Zirkel z. B. verlassen will, halte ich mit dem Seil dagegen. Wichtig ist immer das Nachgeben, genau wie beim Reiten das Nachgeben des Zügels. Außerdem kann ich das Seil zum Übermitteln von Signalen nutzen (Paraden), wenn ich mir die Aufmerksamkeit des Pferdes zurückholen oder das Pferd anhalten möchte. Man kann auch eine gewisse Anlehnung des Pferdes an das Seil erreichen. In dieser Phase gibt man die ganze Zeit leicht schwingende Paraden. Das hilft manchen Pferden, die mit dem Longieren prinzipiell noch ihre Schwierigkeiten haben.

Generelles Ziel ist, diese Verbindung über das Seil immer weniger zu nutzen. Wenn ich irgendwann gar nicht mehr korrigieren muß, keine Paraden mehr benötige, daß Pferd nicht mehr "nach außen zieht", meine Körpersprache gegenüber dem Pferd also inzwischen stimmt, bin ich auf dem besten Wege zum Freitraining.

Wichtig
Üben Sie alle Übungen erst ausführlich im Schritt. In dieser langsameren Gangart haben Sie Zeit, die rasche Positionierung Ihres Körpers und die Handhabung des Seils zu erlernen.
Wenn Sie das nach ein paar Tagen einigermaßen gefestigt haben, können Sie die ersten kurzen Trab-Reprisen einbauen. Erst wenn die Trab-Arbeit sicher und entspannt funktioniert, Sie schnell genug geworden sind in Ihren Reaktionen, können Sie das Pferd die ersten Male ganz kurz angaloppieren lassen. Fangen Sie damit nicht zu früh an! Üben Sie lieber eine weitere Woche im Trab, wenn Sie noch nicht ganz sicher sind. Pferde verhalten sich im Galopp oft anders als in Schritt und Trab. Sind Sie noch zu unsicher und ungeübt, könnte Ihr Pferd mit dem Seil davonstürmen.