Pferde beobachtenWas hat man denn davon, wenn man Pferde beobachtet? Nichts. Oder sehr viel. Es kommt darauf an, was man erwartet und wieviel Zeit man mitbringt. Auf den ersten Blick sieht es oft aus, als würde auf der Koppel überhaupt nichts geschehen. Jedes Pferd steht an seinem Platz, frisst oder döst vor sich hin. Nichts passiert. Beobachtet man jedoch länger und sieht genauer hin, kann man manchmal sehen, wie die Pferde sich unterhalten. Ein Pferd macht zwei Schritte auf ein anderes Pferd zu. Dieses legt die Ohren nach hinten an: "Hau ab! Laß mich in Ruhe!" Das erste Pferd entfernt sich sofort wieder: "Tu mir nichts! Ich geh' ja schon." Ikarus brachte mir so die "Politik der kleinen Schritte" bei. Nachdem ich einmal mit Ikarus vom Reiten zurückkam und ihn versorgt hatte, brachte ich ihn wieder auf die Koppel zurück zu den anderen Pferden. Ikarus schlenderte zu einer befreundeten Stute; ein anderes Pferd lief dabei wie zufällig neben ihm her in die gleiche Richtung. Die Stute verscheuchte plötzlich beide Pferde vehement aus ihrem Individualbereich. Einige Sekunden später standen alle Pferde wieder still auf ihrem Platz und es passierte scheinbar gar nichts mehr. Trotzdem blieb ich noch an der Koppel stehen. Nach vielleicht einer Minute ging Ikarus langsam wieder in Richtung der Stute, aber nur soweit, wie er sich sicher war, dass sie dies zulassen würde. Wieder stand er für etwa eine halbe Minute unbeweglich da und machte dann einen weiteren Schritt in ihre Richtung. Wieder passierte nichts. Für einen flüchtigen Beobachter hatte sich eigentlich nichts verändert. Da! - Wieder ein Schritt. Er beobachtete dabei ihre Ohrenstellung, aber alles schien in Ordnung. Einige Male wiederholte sich das noch, bis er direkt neben ihr stand, was sie jetzt nicht mehr zu stören schien. Ikarus hatte also mit ein wenig Geduld und in kleinen Schritten doch noch erreicht, was er wollte. |