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Lahmheit

Fehltritte

Meine Tochter und ich hatten beschlossen, nicht mehr auf dem Reiterhof zum Reitunterricht zu gehen. Beim letzten Mal wurden wir dort während des Unterrichts nicht so schön behandelt und hatten dadurch ganz schön Streß. Nicht zum ersten Mal. Nach neun Jahren Reitunterricht hatten wir längst herausgefunden, daß wir beide keinerlei Turnierambitionen haben. Deshalb kam meine Tochter nun, wenn sie Zeit hatte, mit zu "meinen" Pferden, um einfach hin und wieder mit Pferden zusammen sein zu können. Ich hatte für sie bereits eine haflingergroße Ponystute Hillary ein wenig vorbereitet. Beim ersten Treffen der beiden war gleich zu sehen, daß sie sich gut verstanden. Sicherlich würden wir alle vier - meine Tochter, ich, Guy und Hillary - bald gemeinsam den ersten kleinen Ausritt unternehmen können.
Zu der Zeit war es noch Winter. Als wir nach ein paar Tagen das zweite Mal zusammen auf die Koppel kamen, lahmte Hillary. Und zwar so stark, daß wir sie völlig in Ruhe ließen. Wahrscheinlich hatte sie sich auf dem gefrorenen Boden vertreten. An ihrem linken Vorderbein war innen am Sprunggelenk eine verdickte Struktur zu fühlen, die an eine zumindest teilweise abgerissene Sehne erinnerte.
Der Tierarzt gab ihr eine Spritze, machte uns aber nicht viel Hoffnung. Die Spritze zeigte eigentlich keinerlei Wirkung. Der Bauer sagte zu mir: "Gib ihr Zeit. Das wird schon wieder."
Beim nächsten Mal sah ich sie auf der Koppel liegen. Sie sah schlecht aus. Sehr schlecht. Ich war davon überzeugt, daß es in Kürze mit ihr zu Ende geht, und überlegte schon, wie ich das nur meiner Tochter beibringen würde. Der Bauer sagte: "Habe Geduld. Sie kommt schon wieder in Ordnung."
Wieder ein paar Tage später - auf der Hinfahrt befürchtete ich bereits das Schlimmste - sah ich sie auf der Koppel zur Heurolle hinhumpeln. Langsam. Aber sie kam dort an und konnte fressen.
Lange Zeit, über mehrere Wochen hatte ich den Eindruck, Hillarys Zustand würde sich kaum bessern. Aber eines Tages trabte sie zum Heuhaufen! Und noch einige Wochen später galoppierte sie vor einem anderen Pferd davon!
Immer wieder befühlte ich ihr Sprunggelenk, ließ ihr aber noch einige Wochen Zeit, bis wir zusammen den ersten gemeinsamen Spaziergang unternahmen. Und noch drei Wochen später konnten wir uns am ersten, kurzen, gemeinsamen Ausritt im Schritt erfreuen. (Natürlich saß nicht ich sondern nur meine Tochter auf Hillary!)


Warum beschreibe ich das so genau? Zum Einen, um zu zeigen, wie lange es machmal doch noch Hoffnung gibt. Zum Anderen ist mir aufgefallen, daß der Bauer, der schon mit Pferden aufgewachsen ist, eine bessere Prognose gestellt hatte, als alle anderen, inklusive dem Tierarzt.

Gradmesser

Man teilt Lahmheiten in verschiedene Schweregrade ein von leicht bis schwer:
  1. Sehr gering. Lahmheit ist erst im Trab ansatzweise zu erkennen, im Schritt gar nicht.
  2. Gering. Im Trab deutlich, im Schritt nicht zu erkennen.
  3. Deutlich ausgeprägt: Im Trab stark und im Schritt deutlich sichtbar.
  4. Hochgradig: Bereits im Schritt stark ausgeprägt.
  5. Höchstgradig: Bereits im Stehen wird das betroffene Bein entlastet.
Hillary litt demzufolge unter höchstgradiger Lahmheit mit zeitweise starken Schmerzen.

Was tun?

Sind die Symptome der Entzündung stark ausgeprägt (Schwellung, Wärme), kann der Tierarzt ein entzündungshemmendes Medikament injizieren (Spritze). Bis dahin oder begleitend kann man die betroffene Region kühlen. Am einfachsten geht ein gepolsterter Verband, der mit Wasser getränkt wird. Durch das Verdunsten des Wassers wird der Umgebung (dem Bein) Wärme entzogen. Der Verband muß, wenn er getrocknet ist, immer wieder mit Wasser getränkt werden.
(Ein solcher Verband darf nicht zu fest angelegt werden; nur gerade so, daß er gut hält. Ein Pferdebein besteht fast nur aus Haut und Knochen, so daß es schnell durch einen zu straff sitzenden Verband abgeschnürt werden kann.)

Bei Hillary lag der Fall anders. Nicht die Entzündung stand im Vordergrund, sondern die innere Verletzung im Bereich des Sprunggelenks. Deshalb zeigte die entzündungshemmende Spritze kaum Wirkung, und wir konnten nichts anderes tun, als zu warten.
Hillary hatte sicherlich starke Schmerzen. Trotzdem haben wir ihr keine Schmerzmittel verabreicht. Der Schmerz dient als Schutz, damit das Bein geschont wird. Nimmt man dem Pferd den Schmerz, kann sich die Verletzung durch falsche Belastung erheblich verschlimmern! (Der Tierarzt entscheidet über Ausnahmen.)

Je nach Ausprägung der Lahmheit wird das Pferd nicht bewegt. Bei äußeren Verletzungen muß eventuell die Wunde versorgt oder zumindest steril abgedeckt werden.

Kommen Störungen des Allgemeinbefindens hinzu (Fieber, Appetitlosigkeit, Teilnahmslosigkeit), ist es an der Zeit, den Tierarzt zu rufen, auch wenn die Lahmheit an sich nicht so stark ausgeprägt ist.
Der Tierarzt wird auch hinzugezogen bei tieferen Wunden, z. B. bei Nageltritt. Auch kleine Steinchen können sich nach und nach durch den Huf arbeiten und gefährliche Entzündungen hervorrufen. Ist der Huf betroffen, kann auch der Schmied helfen.

Ursachen für Lahmheit

Einige wurden bereits erwähnt.
  • Äußere mechanische Einwirkungen (Tritt eines anderen Pferdes)
  • Fehltreten
  • Spitze Gegenstände (z. B. hervorstehende Nägel)
  • Nageltritt durch herumliegende Nägel
  • Nicht ausgeräumte Steinchen im Huf
  • permanente Überlastung (schleichende Knochenbrüche)
  • Rücken- oder Hüftprobleme (oft durch reiterliche Unzulänglichkeiten)

Wichtig:
Ursachen von Lahmheit
Äußere Einwirkungen durch Tritte oder spitze Gegenstände aber auch Fehltritte sowie Rückenprobleme können zu Lahmheiten führen.

Maßnahmen
Bei stärker ausgeprägter Lahmheit, größeren oder tieferen Wunden, oder wenn Fieber oder Appetitlosigkeit hinzukommen, ist der Tierarzt zu rufen. Entzündungen können gekühlt werden. Keine Schmerzmittel!