Mark RashidDenn Pferde lügen nicht...
In diesem Buch wird man keine Gebrauchsanleitung für Pferde finden. Aber man kann etwas viel Wichtigeres entnehmen. Nämlich Beispiele, die zeigen, wie Pferde denken, wie man mit ihnen rücksichtsvoll umgehen kann, wie und warum man sich in sie hineinversetzen sollte... Dies alles erzählt Mark Rashid in diesem Buch anhand von Beispielen aus seinem eigenen Leben, ohne dabei aufdringlich für seine Methoden zu werben. - Nein, er überläßt dem Leser die Wahl der Methode. Mark Rashid schildert als erster das Prinzip des "passiven Führers", einem Pferd, welches nicht aktiv die Rolle des Herdenführers erkämpft, sondern aufgrund seiner vertrauenswürdigen Eigenschaften von vielen Herdenmitgliedern praktisch dazu "ernannt" wird. Dieses Pferd nimmt er sich zum Vorbild bei seiner Arbeit mit Pferden, und er legt uns nahe, dies ebenfalls zu versuchen. Die in diesem Buch geschilderten "Methoden" stellen für mich die "Hohe Schule" für den Umgang mit Pferden dar. Das Buch hat mir sehr gut gefallen, und liest sich darüber hinaus sehr schön. Der Alte Mann Die Schlüsselrolle in diesem Buch und offenbar auch im Leben Mark Rashids, nimmt der Alte Mann ein, bei dem er wohl im Kind- und Jugendalter sehr viel über Pferde lernen konnte. Interessant ist die Art und Weise, wie der Alte Mann mit den Pferden umging. Er ließ die Pferde selbst Entscheidungen treffen. "Um Gottes Willen!", höre ich Sie förmlich sagen, "Dem müssen seine Pferde aber auf der Nase herumgetanzt sein!". - Nein, sind sie nicht. Aber schauen Sie selbst!: Einmal hatte der Alte Mann ein neues Pferd hinzugekauft. Dieser Wallach hatte aufgrund seiner schlechten Vorerfahrungen beschlossen, nichts mehr mit Menschen zu tun haben zu wollen. Er lies sich absolut nicht mehr einfangen. Mit den anderen Pferden hingegen hatte er sich bald angefreundet. Nun wurde es irgendwann Zeit, die Pferde auf eine andere Weide zu führen. Der Alte Mann und Mark Rashid halfterten die Pferde auf, und führten jeweils mehrere von ihnen auf die neue Weide. Zum Schluß blieb als einziges das neue Pferd übrig. - Es war nichts zu machen. So schloß der Alte Mann das Tor, und ging langsam weg. Das Pferd merkte schnell, daß es nun allein zurückgeblieben war. Es wieherte laut und kam an's Tor gelaufen. Langsam ging der Alte Mann zurück. Doch das Pferd lief wieder davon. Jede halbe Stunde kam der Alte Mann zurück, und bot so dem Pferd an, zu den anderen Pferden geführt zu werden. Jedesmal lief das Pferd wieder weg. Am nächsten Morgen brauchte es noch einige Versuche, bis das Pferd sich entschied, sich vom Alten Mann helfen zu lassen. Es kam von selbst, ließ sich aufhalftern und zu den anderen Pferden führen. Von diesem Tage an ging es mit diesem Pferd wieder bergauf. Später mochte es den Umgang mit Menschen sogar wieder sehr gern. Den Pferden ihren Willen lassen? Solche Beispiele enthält das Buch noch mehr, denn Mark Rashid arbeitete später nach sehr ähnlichen Prinzipien. Er meint z. B., daß die Pferde ein Mitspracherecht haben sollten. Und daß wir ihnen dieses auch ab und zu einräumen sollten. Sie dürfen raten: Selbstverständlich auch, ohne daß die Pferde das Sagen haben: Mark Rashid arbeitete mit einer Stute. Er ritt im Schritt mit ihr auf dem Hufschlag. Nach einer Weile zog sie von der Bande weg. Mark Rashid drückte dagegen. Nach einer kurzen Strecke versuchte sie es aber wieder... Sie wollte nicht an der Bande bleiben. Weil er sie nicht davon abhalten konnte, immer von der Bande weg zu wollen, ließ er ihr plötzlich ihren Willen. Zunächst. Sie zog nach innen, von der Bande weg. Er ließ sie antraben, ritt eine Volte, parierte zum Schritt durch, und kam an der gleichen Stelle wieder an, wo sie nach innen gezogen hatte. Nun war die Strecke schon länger, die sie auf dem Hufschlag blieb. Wieder versuchte sie es. Wieder das Gleiche: Zuerst drückte er sie mit dem Bein leicht wieder an die Bande. Das reichte nicht lange. Er ließ sie also: Sie zog nach innen, Mark trabte an, ritt eine Volte, und sie kamen am Ausgangspunkt wieder an. Recht bald begriff die Stute, daß sie ja viel mehr arbeiten mußte, wenn sie ihren Willen durchsetzte. So traf sie die Entscheidung, freiwillig den Reiterhilfen zu folgen, wodurch sie sich diese Mehrarbeit ersparte. Vertrauen Oft arbeiten wir so verbissen an unseren Zielen, und nutzen dabei gläubig Methoden oder Techniken, daß wir für unsere Pferde nicht mehr vertrauenswürdig erscheinen. Wir können niemanden - auch kein Pferd - dazu zwingen, uns zu vertrauen. Vertrauen kann man sich nur erarbeiten und verdienen. Wenn wir dieses Vertrauen aber erst gewonnen haben, können wir unsere Ziele sehr viel leichter erreichen. "Schließlich und endlich haben wir nur uns und unsere Pferde. Daran ändert keine Technik, kein Hilfsmittel, kein Lederzeug etwas." Ein Pferd hat niemals die falsche Farbe
Dieses Buch könnte die Fortsetzung des eben beschriebenen sein, obwohl es früher geschrieben und im englischen Sprachraum auch eher veröffentlicht wurde. Es spielt also keine Rolle, in welcher Reihenfolge man die Bücher liest. In diesem Buch erfahren wir mehr über den Alten Mann und seine Methoden im Umgang mit den Pferden (und den Menschen). Wir lesen etwas über die Art und Weise, wie Pferde die Welt sehen, und was wir tun können, um besser in ihre Welt zu passen. Wie wir es lernen können, vielleicht so gut in die Welt der Pferde zu passen, daß die Pferde mit denen wir zu tun haben, sich unsere Wünsche an sie selbst zum Ziel setzen, und freiwillig möglichst gut zu erfüllen suchen. Wie das geht? Als Mark Rashid noch ein Kind war, hatte der Alte Mann ihn einmal gefragt, ob er wissen möchte, wie man ein guter Pferdetrainer wird. Er bejahte. "Dann versuche einmal, meine Faust zu öffnen!". Der kleine Junge Mark zog und zerrte und kniff - und gab schließlich auf. Der Alte Mann sagte: "Vielleicht hättest du mich fragen sollen..." |