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Das Pferd ist aufgeregt

Es ist kein seltenes Phänomen, daß ein Pferd aufgeregt ist. Für viele Pferde trifft das besonders auf Ausritten zu. Es gibt aber auch welche, die (z. B. aufgrund ihrer Vorgeschichte) größere Probleme in der Reithalle haben, als auf Ausritten. Aufgrund ihrer Aufregung folgen sie dann den Reiterhilfen nicht oder nur noch schlecht, oder treffen eigene Entscheidungen (traben oder galoppieren selbständig an).


Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Ausritt mit Ikarus. Er galt damals noch als gefährlich, weil er regelmäßig stieg. Ich war aufgeregt. Er war aufgeregt. Damals gab mir der Reitlehrer folgenden Rat: Ich sollte immer drei halbe Paraden rechts und eine links geben. Dann wieder von vorn. Nach etwa hundert Metern sollte ich wechseln: Drei halbe Paraden links, eine rechts. Dabei sollte ich das Treiben nicht vergessen und richtig gerade sitzen, um hinten Gewicht machen zu können.
Nach kurzer Zeit beruhigte sich Ikarus. Ein wenig später beruhigte auch ich mich. Denn nun hatte ich etwas in der Hand, womit ich Ikarus beruhigen konnte. Und es funktionierte jedes Mal!



So ähnlich mache ich das heute noch. Vielleicht ein wenig gezielter: Wenn das Pferd seine Aufmerksamkeit woanders hin richtet (sein Ohr dreht sich von mir weg in die Richtung seiner Aufmerksamkeit), gebe ich auf dieser Seite einige halbe Paraden (vielleicht drei) und treibe ein paar Schritte verstärkt nach. Sie werden sich erinnern, daß wir das bereits beim Thema "Aufmerksamkeit" besprochen haben.
Außerdem achte ich in solchen Phasen, wenn das Pferd aufgeregt ist, besonders darauf, daß es nicht von selbst Richtung oder Geschwindigkeit wechselt. Ich versuche in einem solchen Fall so frühzeitig wie möglich und damit so gewaltlos wie möglich einzugreifen, also bereits im Ansatz einer Änderung von Richtung oder Geschwindigkeit. - Richtig, auch das haben wir bereits besprochen, nämlich im Artikel "Ich bin der Chef" des Themas "Sprache der Pferde", wo es im weiteren Sinne um Rangordnung und Gehorsam ging.

Was haben Rangordnung und Aufmerksamkeit denn mit einem aufgeregten Pferd zu tun?
  • Aufregung und Angst liegen dicht beieinander. Während ich die Aufmerksamkeit des Pferdes habe, kann es sich weniger um Dinge aus seiner Umgebung kümmern, die ihm Angst machen könnten. Es ist von seiner Umgebung abgelenkt und auf mich konzentriert.
  • Indem ich dem Pferd klar mache, daß ich die Entscheidungen bezüglich unserer Richtung und Geschwindigkeit treffe, fordere ich seine Unterordnung. Das ist für das Pferd etwas Gewohntes. Und es verbindet mit seiner Unterordnung, daß ich nun dafür verantwortlich bin, auf Gefahren in unserer Umgebung zu achten. Damit ist das Pferd seine größte Sorge los!
  • Der oben beschriebene Rat des Reitlehrers bringt einen gleichmäßigen Rhythmus ins Reiten. Auch das lenkt das Pferd von anderen Dingen ab und beruhigt das Pferd. Damit es nicht nach einer Weile auf diesen Reiz abstumpft, indem es sich daran gewöhnt, wechselt man hin und wieder die Seiten.

Wenn sich das Pferd beruhigt hat, sollte ich die Maßnahmen aussetzen, damit das Pferd sich nicht irgendwann gegängelt fühlt. Ein innerlich ruhiges Pferd wird ohnehin seltener von sich aus Entscheidungen treffen (müssen).
Und: immer wenn das Pferd etwas richtig gemacht hat, sich weiter beruhigt hat, wird es gelobt. Damit schließt sich der Kreis...



Wenn ich mit einem Pferd allein unterwegs bin, also nicht in der Gruppe, habe ich noch ganz andere Möglichkeiten, ein Pferd von seinen Ängsten abzulenken, seine Unterordnung zu gewährleisten und es somit zu beruhigen: Gern nutze ich z.B. Pfützen, um die ich dann Volten reite oder zwischen denen ich hindurchreite. Dabei feuere ich das Pferd begeistert an, lobe es ausgiebig, wenn die Volte geklappt hat, und lasse dem Pferd sofort die Zügel (wenigstens für den ersten Moment nach der Übung, solange es eben geht). Man kann sich auch einen Baum suchen, um den man reitet, oder man wechselt immer mal wieder vom linken auf den rechten Wegesrand und umgekehrt. Man muß dabei nur beachten, sich Übungen zu überlegen, die man in dieser Situation auch wirklich erfolgreich durchführen (durchsetzen) kann, sonst bleibt der Effekt natürlich aus.