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Umkreisen - Ich bin der Chef




Unter Pferden gilt: "Was ich umkreise(n kann), ist meins!". Dieses Sprachelement beinhaltet also die Aussage: "Ich bin der Chef!"



Immer, wenn ich mein Pferd von der Koppel abholen möchte, umrunde ich es erst einmal, um zu schauen, ob es irgendwelche Verletzungen hat oder alles in Ordnung ist mit ihm. Immer wieder war mir dabei aufgefallen, daß das Pferd es hin und wieder nicht zulassen wollte, daß ich nach der Umrundung den Kreis vor ihm schloß. Es ging dann geradeaus los, so daß es mir nicht gelang, vor ihm vorbei zu gehen. Anfangs dachte ich mir nichts dabei; schließlich hatte ich ja schon alles gesehen und keine Verletzungen o. ä. entdeckt. Es war also nicht so schlimm. Nach einiger Zeit fiel mir aber auf, daß sich Guy - wenn ich es nicht geschafft hatte, vor ihm vorbei zu gehen - anders verhielt als sonst. Er folgte nicht, wenn ich mit ihm losgehen wollte oder wehrte sich bereits gegen das Einhaken des Seils. Er wollte Chef sein!

Deshalb achtete ich von da ab darauf, beim Umrunden den Kreis auch wirklich schließen zu können. Dazu beschleunigte ich meinen Schritt, wenn er losging, und ließ das Seil kurzzeitig vor ihm kreisen, so daß er stehen blieb und ich den Kreis schließen konnte. Und das funktionierte: Ab sofort war der Umgang mit ihm jedesmal gleich von Beginn an leichter.




Solange ich also noch nicht wußte, daß ich ein Sprachelement falsch anwendete, kam es immer wieder zu Mißverständnissen zwischen meinem Pferd und mir. Als ich aber erkannt hatte, daß es sich beim Umkreisen eines Pferdes überhaupt um Sprache handelt, und mein Verhalten dementsprechend korrigierte, wurde der Umgang mit meinem Pferd noch leichter und angenehmer. Inzwischen versucht mein Pferd gar nicht mehr, das Umkreisen durch mich zu verhindern.