Über Einstellung und Vorstellung
Und hier noch ein sehr wichtiger Punkt, den ich einzeln behandeln möchte:
Dazu nehmen wir noch einmal das gleiche Beispiel wie im vorigen Artikel.
Eine Reiterin mit erst wenig Erfahrung soll nach ihrer Longen-Stunde das Pferd selbst versorgen. - Natürlich wurde ihr vorher gesagt, daß sie die anderen Reiter um Hilfe bitten soll, wenn sie welche benötigt. - Als sie beim Hufe auskratzen angelangt ist, macht sie genau das, was man ihr vorher mehrere Male gezeigt hat: Sie stellt sich neben das Pferd (vielleicht nicht dicht genug), rutscht mit der Hand am Pferdebein herunter, sagt "Fuß!" und versucht, den Fuß aufzunehmen. Nichts passiert. Das Pferd rührt sozusagen keinen Huf.
Um Hilfe gebeten, mache ich das Gleiche: Ich stelle mich dicht neben das Pferd, sage "Fuß!" und nehme ihn auf. Nachdem ich mit dem Huf fertig bin, hebt das Pferd von allein den gleichseitigen Hinterhuf auf, damit ich dort weitermachen kann.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen versichern, daß das Folgende nichts mit Esoterik zu tun hat, auch wenn es sich so liest. Auch können Pferde meiner Erfahrung nach nicht die Gedanken des Menschen lesen, obwohl man das hin und wieder von Pferdefreunden, die entsprechende Kurse besucht haben, so hört. - Also worum geht es?
Einstellung
Ist Ihnen schon aufgefallen, daß es einfach Tage gibt, an denen im Umgang mit dem Pferd oder beim Reiten nichts so richtig gut gelingen will? Das Pferd gehorcht schlecht, reagiert spät oder unsicher, versucht sich, seinen Aufgaben zu entziehen. - Natürlich hat auch ein Pferd schlechte Tage. Aber hören wir einen Moment auf, wieder alles auf das Pferd zu schieben! Am häufigsten passiert das, wenn wir selbst nicht ganz bei der Sache sind, wenn wir mit anderen Gedanken, Sorgen usw. beschäftigt sind. - Dann gibt es aber auch Tage, an denen alles wie am Schnürchen läuft. Am besten klappt alles, wenn wir uns vollständig und wohlwollend auf das Pferd konzentrieren können, sowie speziell auf die nächste, zu lösende Aufgabe.
Daraus abgeleitet einige Hinweise:
- Konzentrieren Sie sich gut auf Ihr Pferd!
- Stellen Sie sich die Lösung der nächsten Aufgabe bildlich vor!
- Seien Sie völlig davon überzeugt, daß Sie die Aufgabe bis zum Schluß durchführen!
In der oben geschilderten Situation sind mir alle drei Punkte gut gelungen. Deshalb fiel es dem Pferd leichter, meinen Wünschen Folge zu leisten.
Bildhafte Vorstellung
Zunächst ein Beispiel, dann die Erklärung:
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Reiten: Ich will eine ganze Runde auf dem Zirkel galoppieren, was mir sonst mit diesem Pferd nicht immer gelingt: Nach einer halben Runde fing das Pferd immer an, unsicher im Takt zu werden. Ich dachte dann, eine halbe Runde reicht ja vielleicht auch. - Und schon pariert das Pferd durch, und nochmal und bleibt stehen; ich falle leicht nach vorn und muß um mein Gleichgewicht kämpfen. Eigentlich war das nicht das, was ich wollte.
Als ich mir aber fest vornahm, die Strecke durchzugaloppieren, egal was da kommt, hat es funktioniert: An der üblichen Stelle fing das Pferd wieder an, durchzuparieren. Sofort trieb ich ein paar Sprünge lang stärker, und stellte mir dabei bildlich vor, wie wir weitergaloppieren. Den inzwischen näherkommenden Zielpunkt auf dem Zirkel sah ich dabei an. Genau dort parierte das Pferd durch, ohne daß ich nach vorn fiel, denn da wollte ich ja hin. Etwas später lernte ich dann nach der selben Methode, z.B. noch eine halbe Runde weiterzutraben, und nicht gleich in den Schritt zu fallen oder sogar stehen zu bleiben. Vorher gelang mir das nur mit enormem Kraftaufwand.
Wie funktioniert das?
Mit unseren Gedanken, unserer inneren Einstellung sowie bildhaften Vorstellungen ändern wir unbewußt den Grad der Spannung in bestimmten Muskeln. Dadurch werden unsere Muskeln in Bereitschaft versetzt, die gerade gedachten Gedanken auszuführen (z. B. eine Bewegung). Somit beeinflussen wir unsere Körperhaltung, Körperspannung oder auch nur die Beweglichkeit z.B. des Hüftgelenkes. So kommt es, daß, wenn ich mir selbst gar nicht sicher bin, ein Pferd vielleicht sogar durchpariert, oder eine gestellte Aufgabe gar nicht erst ausführt. Es kann sogar sein, daß ein Pferd, wenn es merkt, daß ich unsicher bin, z. B. nicht springt, um mich zu beschützen...
Mit dem gleichen Pferd habe ich in diesen Reitstunden gelernt, durch pure "Gedankenübertragung" zum Anhalten durchzuparieren. Die Zügel habe ich dabei sogar länger werden lassen. Sonst habe ich eigentlich nichts dazu getan, außer mir das Anhalten vorzustellen. Das hat genügt, Körperspannung und -haltung so zu verändern, daß das Pferd das Signal verstand.
Diese "Methode" ist auch auf das eingangs verwendete Beispiel übertragbar. Ich war mir durch bildhafte Vorstellung ganz sicher, daß ich dem Pferd jetzt die Hufe säubern würde, und ließ selbst für mich keinen Zweifel daran. Dies hat meine Körperhaltung und Bewegungen so beeinflußt, daß ich auf das Pferd eine entsprechende Selbstverständlichkeit ausstrahlte, die gar keinen Zweifel mehr aufkommen ließ.
Denn - nicht vergessen! - Körpersprache ist die Sprache der Pferde! Und mit dieser Methode kann ich meine Körpersprache bewußt beeinflussen, und so zu meinem Pferd "sprechen".
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