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Wie denken Pferde eigentlich?

In der Schule hatten wir einmal gelernt, daß Tiere nur instinktiv handeln. Denken könnten sie nicht. Schon damals protestierten alle Hundebesitzer in unserer Klasse. Lehrer waren damals Respektpersonen. Deshalb glaubte ich. Obwohl auch ich es anders beobachtet hatte.
Dreißg Jahre später, als ich begann, Pferde genauer zu beobachten, mußte ich mehr und mehr feststellen, daß die Hundebseitzer in meiner Klasse damals Recht hatten. Manchmal sah ich förmlich, wie ein Pferd über etwas nachdachte und dann seine Entscheidungen traf. Nein, Pferde reagieren nicht nur instinktiv. So einfach ist das nicht.

Sicher, Pferde denken sehr viel einfacher als wir. Sie sind kaum in der Lage, strategisch zu denken und zu planen, wie sie uns z. B. veralbern können, wenn wir das nächste Mal auf ihrem Rücken sitzen. Sie machen sich auch keine Gedanken über den Sinn ihres Lebens, wie das bei uns Menschen durchaus der Fall ist.
Pferde denken über ihre augenblickliche Situation nach und reagieren darauf. Die Zukunft spielt für sie im Moment keine bedeutende Rolle. Die Vergangenheit allerdings insoweit, als daß sie sich an Erlebtes erinnern, und zwar konkret an erlebte Bilder und damit verbundene Emotionen. Die Gefühle unserer Pferde sind den unseren recht ähnlich. Angst, Ärger, Leid, aber auch Freude und Wohlbehagen sind ihnen nicht fremd. Gefühle beeinflussen das Denken der Pferde im ähnlichen Maße, wie das bei uns Menschen der Fall ist. Fluchttiere erleben Angst und Erschrecken stärker als wir.

Pferde denken in Bildern. Taucht ein Bild vor ihren Augen auf, das sie in Verbindung mit negativen Emotionen in ihrer Erinnerung haben, kann das allein schon eine unerwünschte Reaktion auslösen. Es heißt dann für gewöhnlich: "Der zickt bloß wieder rum. Der veralbert dich. Hau mal anständig mit der Gerte drauf!" Anstatt das Pferd zu beruhigen, es abzulenken und weiter vorwärts zu reiten, habe ich das negative Gefühl, das das Pferd mit dem Bild verbindet, verstärkt. Nächstes Mal an dieser Stelle werden die Probleme wahrscheinlich noch größer sein. Als Menschen müssen wir uns bemühen, im Umgang mit Pferden zu einer solchen einfacheren Denkweise zurückzufinden. Ansonsten verkomplizieren wir und vermenschlichen damit die Pferde, so daß wir letztlich immer wieder falsche Konsequenzen für unser Handeln ableiten werden. (In der Geschichte "Der bedrohliche Waldweg" habe ich diese Erkenntnis mit der "Politik der kleinen Schritte" verknüpft, und so in kurzer Zeit ein für das Pferd schwerwiegendes Problem auflösen können.)

Vieles Weitere ergibt sich aus den o. g. besonderen Eigenschaften der Pferde als Flucht- (oder potentielles Beute-) und Herdentier (Eigenschaften der Herden- und Fluchttiere) sowie aus seiner besonderen Art zu sehen und der empfindlicheren Sinne für Geruch und Gehör(Wie Pferde die Welt sehen, hören und riechen). Darüber hinaus kreisen die Gedanken eines Pferdes immer wieder um die Nahrungsaufnahme. Auch die Fortpflanzung spielt in ihrem Denken eine nicht unwichtige Rolle. Pferde beschäftigen sich gedanklich auch mit ihren Beziehungen zu den anderen Herdenmitgliedern.
Wenn wir dieses Wissen in unseren Reaktionen und Entscheidungen immer wieder konsequent anwenden, werden wir es mit Pferden im Umgang und beim Reiten sehr viel leichter haben als zuvor.
Wie man dieses Wissen in der Praxis anwendet, lesen Sie im Thema "Umgang mit Pferden".

Forschung...

Man weiß vergleichsweise wenig darüber, wie Pferde denken und kommunizieren. Über Katzen und Hunde gibt es unzählige Bücher, die die Ergebnisse recht umfangreicher Forschungen über das Wesen dieser beliebten Haustiere wiederspiegeln.

Über die Denkweise und Kommunikation der Pferde gibt solche Forschungen kaum. Alles Wissens- und Mitteilenswerte paßt nahezu in die Einleitung oder den Anhang von Reitlehren oder Büchern über Pferderassen. Auch Bücher, in denen es nur um dieses eine Thema geht, enthalten genau genommen nicht mehr Information. Sonst vielleicht leer bleibende Seiten werden mit der Entwicklungsgeschichte des Pferdes und Informationen über Haltung und Fütterung aufgefüllt.

Es fehlt uns deshalb mitunter an den grundlegendsten Verständigungsmöglichkeiten mit dem Pferd. Wir haben keine gemeinsame Sprache. Trotzdem erwarten wir von unseren Pferden immer wieder, daß diese unsere - manchmal schon für unsere Mitmenschen schwer verständlichen - Willensäußerungen entschlüsseln und befolgen, und das möglichst schnell. Immer wieder vergessen wir, daß Pferde eigentlich durchaus gewillt sind, es uns recht zu machen, weil sie es geowhnt sind, sich unterzuordnen. Nur selten kommen wir auf die Idee, daß uns unser Pferd einfach nur nicht versteht.