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Freunde

Auch unter Pferden gibt es Freundschaften. Eine Freundschaft stellt eine ganz besondere Beziehung unter Pferden dar. Befreundete Pferde sind häufig zusammen, fressen zusammen, spielen zusammen und betreiben "soziale Fellpflege", kraulen und beknabbern sich also gegenseitig das Fell an Stellen, die sie allein nicht erreichen können. Dabei besteht auch unter solchen Freunden immer eine klare Rangordnung. Das rangniedrigere Pferd wird dem ranghöheren immer den Vortritt lassen, ihm folgen (Chef bestimmt Richtung und Geschwindigkeit), und wenigstens um eine Kopflänge (je nach Rangunterschied auch mehr) zurückbleiben. Das ranghöhere Pferd kann das andere auch von sich vertreiben. Das rangniedrigere versucht dann bald, sich dem Freund nach und nach wieder anzuschließen.
Die gegenseitige Fellpflege kann ein wenig mit dem Putzen durch den Menschen verglichen werden. Tut das Pferd das schmerzfrei, darf es mich als Gegenleistung für mein Putzen sogar auch mal vorsichtig beknabbern. Wann, wie und wielange ICH das zulasse. Der Chef in dieser Freundschaft bin dabei nämlich trotzdem ich: Ich lasse das Pferd z. B. zur Seite treten, um auf der anderen Seite weiterarbeiten zu können; ich bestimme also Richtung und Geschwindigkeit des Pferdes. Zu einer freundschaftlichen Beziehung gehört Rücksicht: Ist ein Pferd an einer Stelle kitzlig oder empfindlich und weicht deshalb aus oder legt kurz die Ohren an, um mir das mitzuteilen, dann putze ich (erstmal) woanders weiter. Befreundete Pferde zwingen sich auch nicht gegenseitig zur Fellpflege. Natürlich muß am Schluß die Sattellage sauber sein! Und: rangniedrige Pferde sind komischerweise immer weniger kitzlig, als ranghöhere. Macht also ein Pferd beim Putzen "Theater" oder will mich sogar beißen, dann stimmt etwas mit meinem Rang noch nicht.
Freunde sind füreinander da. Das sollte unter Menschen so sein. Unter Pferden gilt das ebenso. Möchte ich also der Freund meines Pferdes werden, sollte ich Zeit mit ihm verbringen. In dieser Zeit muß ich nicht immer etwas "Produktives" mit meinem Pferd vollbringen. Manchmal reicht es aus, einfach nur da zu sein, neben meinem Pferd zu stehen, in die gleiche Richtung zu schauen, sich wohl dabei zu fühlen, die Fliegen zu vertreiben, das Pferd zwei Schritte rückwärts gehen lassen, wieder die Fliegen vertreiben, stillstehen...
Wenn ich dann meinen Platz langsam verlasse und ein paar Schritte gehe, kann es sein, daß mir mein Pferd folgt. Wie seinem (ranghöheren) Freund.

Diese Rolle des ranghöheren Freundes gefällt mir von allen am besten. Die versuche ich am häufigsten zu übernehmen. Schließlich passt sie auch am besten: mit dem Pferd zusammen sind wir immer zu zweit.
Bin ich dann ausnahmsweise mal mit mehreren Pferden gleichzeitig zusammen, ergibt sich die Rolle des "gewählten Anführers" ganz von selbst. Denn alle Pferde, mit denen ich vorher einmal zu tun hatte, betrachten mich - wenn ich es zuvor geschafft habe, diese Rolle einzunehmen - als den ranghöheren Freund.