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Reaktion und Reaktionsgeschwindigkeit

Ein großer Teil des Erfolges beim Reiten hängt von meiner Reaktion als Reiter auf "eigenmächtige" Aktivitäten des Pferdes und meiner Reaktionsgeschwindigkeit dabei ab. Immer wieder passiert es, daß ein Pferd plötzlich etwas ganz anderes tut, als es im Moment doch soll. Dann muß ich so früh wie möglich adäquat darauf reagieren. Bereits im Ansatz einer unerwünschten Aktion des Pferdes muß ich mit passenden Reiterhilfen dagegenhalten. Je früher ich das Vorhaben des Pferdes erkenne und Gegenmaßnahmen einleite, desto weniger Kraft benötige ich, es zu verhindern.
Aber warum tut ein Pferd soetwas überhaupt? Welche Gründe haben solche eigenen Entscheidungen und "eigenmächtigen" Handlungen? Die Antworten auf diese Fragen sollte ich kennen. Dazu muß ich dem Pferd zu"hören". Und ich sollte mich als Reiter darin befleißigen, Anzeichen auf bevorstehende Aktivitäten eines Pferdes rechtzeitig wahrzunehmen und darauf reagieren zu lernen:

Ablenkung

An verschiedenen Stellen auf diesen Seiten hatten wir bereits in den Vordergrund gestellt, daß Pferde Lebewesen sind. Deshalb funktionieren sie nicht. Sie leben. Dazu gehört auch, daß Pferde sich von Dingen und Geschehnissen in ihrer Umgebung ablenken lassen. Pferde sind besonders leicht ablenkbar. Das liegt in ihrer Natur. In Freiheit könnte ihnen ihre Ablenkbarkeit das Leben retten. Deshalb kann es passieren, daß ein Pferd vergißt, was es im Moment eigentlich tun soll, weil in seiner Nähe etwas passiert, das seine Aufmerksamkeit fesselt.
Erkenne ich z. B. an der veränderten Stellung der Ohren des Pferdes, daß ich seine Aufmerksamkeit verloren habe, hole ich sie mir durch zwei oder drei halbe Paraden auf der Seite der Ablenkung wieder zurück. Siehe auch Artikel Die Aufmerksamkeit des Pferdes im Thema "Probleme beim Reiten".

Energiesparer

Pferde versuchen, Energie zu sparen, die sie aus ihrer Sicht besser verwenden können, wenn sie z. B. vor einer Gefahr fliehen müssen. Manche Pferde sind Weltmeister im Energiesparen. Deshalb kürzen sie in den Ecken ab, traben viel zu langsam und suchen dann quer über den Reitplatz wieder Anchluß an die Abteilung. Oder sie bleiben einfach stehen und warten, bis die Abteilung wieder vorbeikommt.
Solche Pferde muß ich beim Reiten immer wieder mit halben Paraden auf mich aufmerksam machen. Sobald ich erkenne, daß das Pferd sein Tempo verlangsamen wird, muß ich sofort - ohne Verzögerung - verstärkt nachtreiben, bis das Pferd wieder sicher die gewünschte Geschwindigkeit hält. Warte ich damit zu lange, wird es viel schwerer, das Pferd wieder zu beschleunigen. Der Einsatz der Gerte scheint dann unvermeidlich. Aber auch hier gilt: Je früher ich reagiere, desto schwächer kann der Reiz der Gerte ausfallen; es reicht dann wirklich ein Antippen.
In den Ecken habe ich einen Vorteil: Wenn ich bereits vorher weiß, daß das Pferd abkürzen will, beginne ich schon vor der Ecke, das Pferd mit dem inneren Schenkel an den äußeren Zügel heranzutreiben. Das heißt: Vor der Ecke kontrolliere ich, ob mein äußerer Zügel wirklich ansteht. Ich gebe erst nach, wenn ich wirklich abbiegen will. Vor der Ecke beginnt mein innerer Unterschenkel (nicht der Hacken!) mit (eventuell sehr) verstärktem Treiben.
Das Abkürzen in den Ecken wird durch Reiterfehler, z. B. Sitzfehler verstärkt. Siehe auch Artikel Das Pferd kürzt in den Ecken ab.

Angst

Pferde sind Angsthasen. Da sie potentielle Beutetiere sind, liegt auch dieses Gefühl in ihrer Natur.
Manche Pferde sind ängstlicher als andere. Es hat keinen Zweck, während einer Angstphase mit Strafen oder Schmerzen zu arbeiten. So verstärke ich die Angst des Pferdes. In einer späteren, ähnlichen Situation wird das Pferd dann bereits ohne mein Zutun extremer reagieren.
Solche Pferde brauchen einen verläßlichen Anführer auf ihrem Rücken. Das ist jemand, der ihnen verständlich sagt, ob eine Gefahr droht oder nicht, und dann entsprechende, sinnvolle Entscheidungen trifft. Die Methode ist die gleiche wie oben unter der Überschrift "Ablenkung". Siehe deshalb auch Artikel Die Aufmerksamkeit des Pferdes im Thema "Probleme beim Reiten". Dort gibt es einen weiterführenden Link Pferde und Menschen, der in diesem Zusammenhang ebenfalls lesenswert ist.

Herdentrieb

Der Herdentrieb ist jener, der die Herde zusammenhält. Ganz einfach. Das macht uns das Reiten aber mitunter weniger einfach. Beispiel: Die Abteilung reitet auf einem Zirkel auf der einen Seite des Reitplatzes. Sie sollen mit Ihrem Pferd auf der anderen Seite des Reitplatzes ebenfalls auf einem Zirkel reiten. Meist geht es dabei um den Einzelgalopp. Wie oft ist es Ihnen schon passiert, daß Ihr Pferd während des Galopps unvermittelt Anschluß an die Pferde auf dem anderen Zirkel gesucht - und dann auch gefunden - hat? Manchmal sogar ohne Sie...
Meistens passiert das an der Stelle, an der sich die beiden Zirkel am nächsten kommen. Ab diesem Punkt muß man besonders aufpassen, daß das Pferd sich nicht in die verkehrte Richtung zu stellen beginnt. Dann muß ich sofort wieder die Stellung in die von mir gewünschte Richtung fordern, um auf meinem Zirkel zu bleiben. Dies tue ich mit halben Paraden am inneren Zügel und verstärkter Einwirkung des inneren Schenkels (ich will ja die Biegung auf meinem Zirkel wieder herstellen!). Der äußere Schenkel liegt verwahrend etwas hinter dem Gurt. Mit dem Knie des äußeren Beines kann ich dazu verstärkt Druck in Richtung meines Zirkels ausüben. Und NICHT VERGESSEN: Der äußere Zügel steht mit leichter Spannung an. Sonst sind meine halben Paraden am inneren Zügel so gut wie wirkungslos. Sobald das Pferd wieder sicher auf meinem Zirkel galoppiert, lasse ich die verstärkte Einwirkung sofort nach. Das wird der Fall sein, wenn ich den Teil des Zirkels erreicht habe, der mein Pferd und mich zur geschlossenen Seite des Reitplatzes schauen läßt. Die anderen Pferde haben wir dann gerade hinter uns gelassen.